Seite wählen
U

«Der Rote Diamant» von Thomas Hürlimann (S. Fischer Verlag, 2022)
Buchempfehlung von Oliver Thiele

In «Der Rote Diamant» schöpft Hürlimann wie so oft nochmals aus seiner Familiengeschichte. Es ist ein Internatsroman, in dem eine anonyme Schar junger Burschen in der Klosterschule «Maria Schnee» (es ist ein kaum verhülltes Einsiedeln, wo der Autor zur Schule ging) von einem Gruselkabinett alter Mönche klassische Bildung eingetrichtert bekommen, während draussen die 68er Revolution den Klostermauern mit Marx und Minirock immer näherkommt. Im Kloster soll sich der sagenhafte «Rote Diamant» der Habsburger Kronjuwelen befinden, der nach dem Ersten Weltkrieg auf abenteuerlichen Wegen aus Wien in die Schweiz geschmuggelt wurde. Aber es ist 1968, und so genau erinnert sich dann doch keine:r mehr.

Um die Schwarze Madonna, die aller letzte Habsburger-Kaiserin Zita und die Mönche herum machen sich ein paar Klosterzöglinge nun auf, diesen sagenhaften Roten Diamanten zu finden. Dabei stossen sie auf so manche Ungereimtheit, Kuriosität und dunkle biographische Vergangenheit im Kloster sowie auf den sprechenden Papagei des Klosterbibliothekars.

Hürlimann erzählt das Ganze witzig, souverän und ganz offensichtlich mit viel Spass an seiner skurril-absurd-realen Kloster- und Habsburgerumgebung. Manchmal kam es mir ein bisschen zu altväterisch-gemütlich daher, und eine Prise katholischer Gelehrsamkeit (mit Augenzwinkern) muss man auch vertragen. Insgesamt aber erwartet den Leser, die Leserin ein wunderbares Lesevergnügen.