«Wackelkontakt» von Wolf Haas (Hanser, 2025)
Buchempfehlung von David Bosch
Der niederländische Grafiker M. C. Escher ist berühmt für seine Zeichnungen mit optischen Täuschungen: Wasser, das bergauf fliesst, Treppen, die nicht enden, Hände, die sich gegenseitig zeichnen. Diese visuelle Idee hat Wolf Haas in seinem neusten Buch «Wackelkontakt» literarisch umgesetzt. Er erzählt von zwei Menschen, die ein Buch lesen und darin in die Geschichte des jeweils anderen eintauchen: Der langsame und bedächtige Trauerredner Franz Escher wartet auf den Elektriker, der den Wackelkontakt einer Steckdose beheben soll. Um die Zeit zu überbrücken, fängt er an, ein Buch zu lesen. Es handelt von Elio Russo. Als Kronzeuge in einem italienischen Mafiaprozess sitzt dieser im Gefängnis und bereit sich auf sein neues Leben im Zeugenschutz in Deutschland vor. Um die Sprache zu lernen, liest er ein Buch. Es handelt vom Franz Escher, der auf den Elektriker wartet …
Während Eschers Geschichte nur wenige Tage umfasst, die mit der Bewältigung von Schuld und dem Ordnen seines aus den Fugen geratenen Lebens gefüllt sind, werden in Elios Geschichte fast zwei Jahrzehnte seines Lebens erzählt, das vom Umgang mit seiner neuen Identität und der Vorsicht vor Enttarnung geprägt ist.
Mal rasant, mal geradezu meditativ entschleunigt erlebt man zwei Leben, die unterschiedlicher nicht sein könnten und die im Verlauf des Buchs untrennbar miteinander verwoben werden. Gleichzeitig beginnt die Geschichte des einen das Leben des anderen zu beeinflussen. Wolf Haas gelingt es furios, ausgehend von einer verrückten Idee eine faszinierende Erzählung zu entwickeln. Ein unterhaltsames und zugleich unglaubliches Buch. Wie bei M. C. Eschers Treppen beginnt man sich zu fragen, ob die Geschichte jemals enden wird…