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«Russische Spezialitäten» von Dmitrij Kapitelman (Hanser, 2025)
Buchempfehlung von Liane Brand

Was, wenn die eigene Mutter der russischen Kriegspropaganda glaubt und Putin und das Russische Staatsfernsehen plötzlich im eigenen Wohnzimmer Einzug halten?

Dmitrij Kapitelman zeigt in seinem dritten, teils autobiografischen Roman, wie die Welt seines Protagonisten aus den Fugen gerät. Denn seit dem russischen Angriffskrieg werden zuhause in Leipzig und im «Magasin», dem Russischen Spezialitätengeschäft der Eltern, selbst die alltäglichsten Dinge politisiert. Und während der Protagonist um seine russische Muttersprache fürchtet, ergreift seine Mutter Partei für Putin. Die Beziehung zu ihr wird für ihn denkbar schwierig.

In der Hoffnung, seiner Mutter die Realität aufzeigen zu können, und von einer Sehnsucht nach «seinem» Kiew getrieben, reist Dmitrij schliesslich in die Ukraine. Er besucht alte Freunde und mit ihnen Kriegsschauplätze wie Butscha und wird Zeuge von Luftangriffen. Die Russische Sprache scheint hier den Feinden zu gehören. Doch für Dmitrij und viele andere Ukrainer ist es die Muttersprache, ganz unabhängig von der aktuellen russischen Politik.

Kapitelman erzählt mitreissend, gewohnt ironisch und doch voller Wehmut. Mit einer ihm neuen Schwere macht er deutlich, wie sehr die eigene Sprache zur Identität gehört und auch Heimat bedeutet. Schliesslich findet er Wege, die Sprache für sich zurückzuerobern und lässt uns Leser:innen schliesslich beinahe hoffnungsvoll zurück.