«Echtzeitalter» von Tonio Schachinger (Rowohlt, 2023)
Buchempfehlung von Claudio Bentz
Tonio Schachinger zeichnet mit «Echtzeitalter» ein pointiertes und reflektiertes Portrait der konservativen Wiener Oberschicht. Er tut dies mit kundiger Schilderung des Lebens vom Protagonisten Till am Marianum, eines elitären, traditionsreichen Gymnasiums.
Dem Mief der kaiserlichen und nationalsozialistischen Vergangenheit noch keineswegs entkommen, entfaltet sich das Marianum dem Leser vor allem als Hort des Hochmuts und der Demütigung, wo Moral vor allem das Gesicht der konservativen Strenge trägt und man trotz der manchmal drakonischen Strafen der Lehrer kaum Mitleid mit den sich oft elitär gebärdenden und mobbenden Schülern hat.
Der Roman begleitet Till bei der Bewältigung seines Schülerlebens, der sich in die Nikotinsucht und in Videospiele flüchtet. Letzteres bringt überraschend schlummernde Talente hervor, welche Till wohltuende Erfolge in Turnieren des Spiels «Age of Empires 2» abseits der Schule bescheren.
«Echtzeitalter» ist rasant und griffig geschrieben und macht das Eintauchen in die Wiener Schulwelt einfach und vergnüglich. Der Schreibstil ist durch wechselnde Tempi und teils lange Sätze bestimmt. Der Humor lebt von der beissenden Kritik am (Schul-)System und den darin geformten Menschen.