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Buchempfehlung von Oliver Thiele
«Knife» von Salman Rushdie (Random House UK Ltd, 2024)

Salman Rushdies erstes Buch nach der Messer-Attacke eines jungen Islamisten auf ihn im August 2022 trägt in allen Sprachen den sprechenden Titel: «Knife». Es ist ein dünner Band, in dem der Autor den Anschlag beschreibt und die qualvolle Rückkehr ins Leben. Eindrücklich sind die Szenen, in denen Rushdie sich an den Moment des Angriffs und die unmittelbare Zeit danach erinnert. Das ist blutig und zum Fürchten, aber unglaublicherweise auch irgendwie komisch – etwa, wenn Rushdie enthüllt, dass er, am Boden liegend und beinahe verblutend, wegen der Blutflecken Angst um seinen neuen Anzug hatte und sich fragte, ob seine Frau alle Pins der Kreditkarten kannte. Eindrücklich ist auch die Rache, die Rushdie am Attentäter übt, den er konsequent «A.» nennt. Er verwickelt ihn nämlich in ein fiktives Gespräch, in dem sich der Typ als trauriger Loser erweist – und als solcher wird er nun auch in die Literaturgeschichte eingehen. Rushdie besiegt den Angreifer mit seinen Waffen: mit dem literarischen Wort. Weniger geglückt sind hingegen Passagen des Buchs, in denen Rushdies Eitelkeit durchscheint – mit Namedropping politischer Grössen, die ihm gute Besserung gewünscht hätten und dem Auflisten berühmter Autoren, die ebenfalls bedroht oder angegriffen wurden. Unschön ist auch, dass Rushdie nicht auf eher unelegante Seitenhiebe auf seine früheren Ehefrauen verzichten kann. Sehr eindrücklich fand ich dann aber wiederum, wie Rushdie unerschütterlich noch einmal seine liberal-säkularen Ideen ausformuliert, die ihm den tödlichen Hass der Islamisten eingetragen haben. Und auch seine etwas augenzwinkernde Klage, dass nun doch wieder die «Satanischen Verse» sein ganzes sonstiges literarisches Werk überschatten, berührt.